Veröffentlicht am 17.09.2013
Fund einer toten Birkenmaus
(Sicista betulina) im Maltatal, Kärnten
Die Birkenmaus ist eine sehr selten gefundene Säugetierart in Kärnten, zählt zur Familie der Hüpfmäuse und wird als Eiszeitrelikt angesehen.
+ Nachtrag vom 06.09.2016
Bei der Birkenmaus – auch Waldbirkenmaus genannt – handelt es sich um ein mausähnliches Nagetier mit langem, dünnem Schwanz sowie einem auffälligen schwarzen Mittelstrich (Aalstrich) am Rücken (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Waldbirkenmäuse bevorzugen eine heimliche Lebensweise. Der lange Schwanz wird beim Laufen (Hüpfen) als Balancierhilfe verwendet und hat beim Klettern eine Haltefunktion. Foto: W. Egger
Im Gegensatz zu den echten Mäusen hat dieser Kleinsäuger keine gespaltene Oberlippe und hält einen Winterschlaf (siehe Abb. 2 und 3). Birkenmäuse verhalten sich überraschend zutraulich und sind leicht mit der Hand zu fangen. Die vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiven Tiere ernähren sich u.a. von Samen, jungen Knospen, Beeren, Insekten und deren Larven.
Abb. 2 und 3: Durch vermehrte Nahrungsaufnahme erreichen Birkenmäuse bis Ende September ein Gewicht von ca. 13 g und halten anschließend einen etwa siebenmonatigen Winterschlaf in frostfreien Erdbauten. Fotos: W. Egger
Die zu den Hüpfmäusen (Zapodidae) zählende Nagetierart kann als „Eiszeitrelikt“ angesprochen werden, dessen Lebensraum durch die nacheiszeitliche Erwärmung immer mehr geschrumpft ist. Die heutige Verbreitung reicht von Skandinavien, über Osteuropa bis in den zentralasiatischen Raum. In Mitteleuropa sind die Vorkommen lückenhaft und isoliert(?). Mit Ausnahme von Wien liegen in Österreich Funde aus allen Bundesländern vor. Zuletzt (2010) wurde im Burgenland der Erstnachweis dieses seltenen Säugetiers erbracht.
Verbreitung in Kärnten
Der Erstfund für Kärnten gelang 1967 in der Innerkrems. Mit Stand 1995 waren in unserem Bundesland erst 7 Fundorte bekannt (siehe Karte):
Karte: Die Karte zeigt jene 8 Fundorte von Birkenmäusen in Kärnten, die mir bisher bekannt geworden sind. Kartenbearbeitung: W. Egger, Kartengrundlage: © Ed. Hölzel, Wien, www.hoelzel.at
[1] 23.06.1967 – Innerkrems/Nockberge (unweit der Salzburger Grenze)
[2] Juni 1971 – Huberalm/Dösental, Gemeinde Mallnitz, 1570 m SH
[3] Juli 1974 – Görtschitztal/Nähe Hüttenberg, 800 m SH
[4] 29.07.1976 – Almboden südl. Lattersteig/Gurkursprung
[5] 9.9.1976 – Burgruine Althaus, Gemeinde Guttaring
[6] Sommer 1982 oder 1983 – Hühnersberg, Gemeinde Lendorf, 920 m SH
Meine diesbezügliche schriftliche Mitteilung vom 28.11.1993 an den Naturwissenschaftlichen Verein Kärnten/Fachgruppe Zoologie lautete: „Konnte vom Küchenfenster aus beobachten, wie die Hauskatze mit einer Maus „spielte“; sehr ungewöhnlich war dabei, dass die Maus jeweils hüpfend zu entkommen versuchte; ich lief sofort hin und verjagte die Katze; anschließend konnte ich die Maus, die keine sichtbaren Verletzungen aufwies, genau betrachten; die Maus schien „zutraulich“ und flüchtete nicht; auffallend war der lange Schwanz sowie der dunkle Rückenstreifen; im Anschluss an diese Beobachtung sah ich im „Naturführer Österreich“ nach und konnte die Maus eindeutig als Birkenmaus (Sicista betulina) identifizieren; …“
[7] 24.6.1990 – Großleobenalm/Nockberge, Gemeinde Krems in Kärnten, 2180 m SH
[8] 14.09.2013 – Hinteres Maltatal (ehemalige Sameralm), 1915 m SH
Fundumstände: Bei einer von Nationalpark Hohe Tauern und Verbund angebotenen geführten Wanderung zur Arlhöhe (Gemeinde Malta in Kärnten) machte mich ein teilnehmender Gast auf eine tot am Fahrweg liegende Maus aufmerksam. Als ich den Blick auf das Tier richtete und den langen Schwanz sowie den dunklen Aalstrich sah, dachte ich sogleich an eine Birkenmaus. Ich hatte nämlich schon vor 30 Jahren einmal das Glück, einem solchen Tierchen zu begegnen (siehe [6]).
Funddatum: 14.09.2013, 13.15 Uhr
Fundort: Fahrweg entlang Kölnbreinspeicher, Nähe Gedenkstätte, 1915 m Seehöhe, Gemeinde Malta in Kärnten (siehe Abb. 4 bis 7)
Sammler (leg.): Maureen O`Malley, Glebe, Sydney, NSW, Australien
Bestimmer (det.): Walter Egger, Hühnersberg 12/2, 9811 Lendorf
Körpermaße: Kopfrumpflänge ca. 70 (max. 75) mm, Schwanzlänge ca. 100 mm, Hinterfußlänge 17 mm, Ohrlänge 10 mm (siehe Abb. 9 und 10)
Abb. 4 und 5: Am Fuße dieses senkrechten Felsens lag die tote Birkenmaus am Fahrweg. Ein Absturz als Todesursache erscheint mir aber sehr unwahrscheinlich. Viel eher dürfte sie wohl Opfer eines Kraftfahrzeuges geworden sein. Fotos: W. Egger
Abb. 6: Der Lebensraum der Birkenmaus im hintersten Maltatal zwischen Gedenkstätte und Jägersteighütte. Am oberen Bildrand des Fotos ist der Alpenhauptkamm mit Arlhöhe und Arlscharte zu sehen. Foto: W. Egger
Abb. 7: Detailansicht des Lebensraumes. Foto: W. Egger
Abb. 8 und 9: Die Birkenmaus zählt gemeinsam mit der Zwergmaus (Micromys minutus) zu den kleinsten heimischen Säugetieren. Fotos: W. Egger
Anmerkung zu den 8 Fundorten: Es kann durchaus sein, dass es seit 1990 noch weitere (unveröffentlichte) Funde in Kärnten gab! Über entsprechende Angaben würde ich mich sehr freuen. Derzeit sind mir jedenfalls keine zusätzlichen Fundorte bekannt.
Gefährdung/Schutz
Die Birkenmaus zählt in Kärnten zu den vollkommen geschützten Tieren und darf daher weder verfolgt, beunruhigt, gefangen, befördert, gehalten oder getötet werden. Auch das Zerstören oder Verändern ihres Lebensraumes ist verboten. Trotz dieses Schutzstatus ist die Birkenmaus in der „Roten Liste der Säugetiere Kärntens“ (1999) als „gefährdet“ eingestuft. In der „Roten Liste der Säugetiere Österreichs“ (2005) werden diesbezüglich folgende Gründe angeführt: „Die anthropogenen (vom Menschen verursachten) Zerstörungen und Veränderungen (Lawinen- und Wildwasserverbau, Forstwirtschaft mit Forststraßenbau und großflächigen Hangzerstörungen sowie Moorzerstörungen, Skiabfahrts- und Aufstiegshilfenbau, Erosion durch Wegeanlagen für den Wandertourismus etc.) führen zu Verlust bzw. starker Beeinträchtigung der inselförmig verteilten Habitate (Lebensräume).“
Weitere Informationen
Wenn Sie sich genauer über die Birkenmaus (Waldbirkenmaus) informieren wollen, werden Sie im Internet sicher fündig. So sind z.B. in der Arbeit „Die Birkenmaus, Sicista betulina PALLAS, 1779 (Mammalia, Rodentia) in Österreich“ von Erich HABLE und Friederike SPITZENBERGER ausführliche Angaben zur Faunen- und Entdeckungsgeschichte, Verbreitung, Ökologie und Biologie enthalten:
http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/MittZoolJoan_43_1989_0003-0022.pdf
Nachtrag vom 06.09.2016
Weiterer Nachweis einer Birkenmaus gelungen
Am 13.06.2016 glückte Herrn Erwin HASLACHER die Beobachtung einer lebenden Birkenmaus im Tauerntal (Gemeinde Mallnitz, Kärnten).
Herr HASLACHER war im Rahmen einer botanischen Wanderung gerade mit einer Klasse der Landwirtschaftlichen Fachschule Drauhofen im Tauerntal unterwegs, als ihn Schülerinnen auf eine Maus aufmerksam machten. Der dunkle Aalstrich am Rücken des Tieres erinnerte ihn sofort an die Birkenmaus. Eine solche Hüpfmaus (Präparat des im Jahre 2013 tot im Maltatal gefundenen Exemplars) war 2015 in der Sonderausstellung „Gams, Steinbock und Co: Wildtiere im Nationalpark“ im Nationalparkzentrum Mallnitz zu sehen gewesen.
Trotz der flinken Bewegungen der Birkenmaus gelangen Herrn HASSLACHER einige sehr aussagekräftige Aufnahmen (siehe Abb. 10 und 11).
Abb. 10: Der Fundort der Birken- oder Waldbirkenmaus (gelegentlich wird auch die Bezeichnung „Streifenhüpfmaus“ verwendet) befand sich zwischen Jamnighütte und Feldspitz auf 1865 m Seehöhe. Der dunkle Aalstrich am Rücken ist ein auffälliges Merkmal dieser Säugetierart. Foto: © Erwin Haslacher.
Abb. 11: Ein weiteres Merkmal ist der mehr als körperlange Schwanz dieser Tiere. Er wird bei der Fortbewegung auf Sträuchern und Halmen als Kletterhilfe benutzt. Am Boden bewegen sie sich oft auch hüpfend fort. Foto: © Erwin Haslacher.
Ich darf mich bei Herrn Erwin HASLACHER für die Fundmeldung sowie für die Erlaubnis zur Verwendung der Fotos sehr herzlich bedanken!
Verfasser: Walter EGGER, Hühnersberg 12/3, 9811 Lendorf; E-Mail: