Wanzen
Wanzen an Mehlschwalben und Schwalbenwurz
Die Schwalbenwanze und die Schwalbenwurz-Ritterwanze in Kärnten
Der Artikel beschäftigt sich mit zwei sehr unterschiedlichen Wanzenarten. Ein blutsaugender Parasit wird einem prächtigen und überaus seltenen „Ritter“ gegenübergestellt.
Von den zu den Insekten zählenden Wanzen (Heteroptera) sind in unserem Bundesland derzeit rund 600 Arten bekannt. Die allermeisten davon gehören in die Gruppe der harmlosen Pflanzensaftsauger. Einige ernähren sich räuberisch von anderen Insekten (Raubwanzen). Ihren eher schlechten Ruf verdanken diese Tiere vor allem jenen wenigen Arten, die vom Blut von Warmblütern leben. Die bekannteste und gefürchtetste darunter ist wohl die Bettwanze (Cimex lectularius). Ihr Vorkommen ging nach dem II. Weltkrieg allerdings drastisch zurück. Punktuell kommt sie aber noch immer in fast allen Landesteilen vor. Eine weitere Plattwanzenart, die gelegentlich für Menschen unangenehm werden kann, ist die Schwalbenwanze (Oeciacus hirundinis) – siehe Abb. 1 u. 2! Über die Begegnung der Bewohnerin eines Einfamilienhauses in der Gemeinde Trebesing (Bezirk Spittal/Drau) mit Schwalbenwanzen möchte ich nun kurz berichten:
Abb. 1 u. 2: Ober- und Unterseite der aus einem zerstörten Mehlschwalbennest stammenden Schwalbenwanze. Fotos: W. EGGER
Ungebetener Besuch im Schlafzimmer
In der zweiten Junihälfte des Jahres 1995 fiel aus unbekannten Gründen nachts ein Mehlschwalbennest von der hölzernen Vordachverschalung auf den südseitig gelegenen Balkon und zerbrach dort vor der Balkontüre des Schlafzimmers. Das zerstörte Nest und die toten Jungschwalben wurden am nächsten oder übernächsten Tag entdeckt und entfernt. Einige Tage später wurde die Bewohnerin während des Schlafes vor allem im Bereich der Arme und des Oberkörpers (von zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Tieren) gestochen. Man vermutete zunächst, dass Gelsen die "Übeltäter" seien. Diese Stiche wiederholten sich in den folgenden Nächten. Es kam zu einem starken Juckreiz und so entstanden durch Kratzen aus den ursprünglich kleinen roten "Wimmerln" große Pusteln/Quaddeln. Die Betroffene musste deshalb in der Folge sogar zwei Mal ihren Hausarzt aufsuchen, der ihr entsprechende Medikamente (Salben und zusätzlich einen Verband am rechten Oberarm) verschrieb. Die Jagd nach den "Tätern" verlief trotz intensiver Suche zunächst ergebnislos. Daraufhin informierte mich die Leidtragende telefonisch von diesen Vorkommnissen. Nach meinem Hinweis auf Schwalbenwanzen (ich beschrieb sie und zeigte ihr bei einem Besuch auch eine Abbildung davon) suchte sie (u.a. mittels Staubsauger) jede Ritze ihres Schlafzimmers ab und wurde im Bereich des Balkonfensters tatsächlich fündig. Am Fensterrahmen/-brett (Innenseite) entdeckte/fing sie mehrere Schwalbenwanzen. Diese übergab sie mir am 01.07.1995 in einem Plastiksäckchen. Damit war sie die "Plagegeister" endlich los und hatte nachts wieder ihre Ruhe.
Vier der Schwalbenwanzen sind noch als Beleg vorhanden. Sie haben eine hell- bis gelbbraune Färbung und die Körperlänge beträgt 3 bzw. knapp über 3 mm. Zwei der Tierchen befinden sich in meiner kleinen naturkundlichen Sammlung und zwei werden (auf Glasplättchen geklebt) vom „Verein Naturerlebnis Maltatal" bei einem "Schülerquiz" verwendet. Die Schüler sollen dabei u.a. Zecke, Wanze und Floh kennenlernen.
Die Schwalbenwanze fand in Kärnten bisher kaum Beachtung. Mit Stand 2009 waren weniger als 10 Funde bekannt. Ich nehme an, dass sie jedoch weit verbreitet und nicht selten ist. Neben Mehlschwalben soll sie auch an Mauerseglern, Uferschwalben und Sperlingen parasitieren. Die Schwalbenwanze steht zudem im Verdacht, ein Überträger des gefährlichen „West-Nil-Virus“ zu sein.
Hübsch gefärbt und überaus selten
Um die gängigen Vorurteile gegenüber Wanzen nicht weiter zu verstärken, stelle ich jetzt noch kurz eine Wanzenart vor, die sich ausschließlich von Pflanzensaft ernährt und weder Mensch noch Tier etwas zuleide tut. Es handelt sich um die hübsch gefärbte und überaus seltene Schwalbenwurz-Ritterwanze (Tropidothorax leucopterus) - siehe Abb. 3!
Abb. 3: Schwalbenwurz-Ritterwanze saugend auf Schwalbenwurz-Blatt. Foto: W. EGGER
Wurde sie ehemals in der Umgebung von Villach und Millstatt mehrfach dokumentiert, ist diese mediterrane wärmeliebende Wanzenart in unserem Bundesland aktuell nur von zwei Standorten bekannt. Sie wird deshalb in den „Roten Listen“ zurzeit in der Kategorie „vom Aussterben bedroht“ geführt. Die ca. 1 cm große und auffällig rot-schwarz-(weiß) gefärbte Wanze benötigt für ihre Entwicklung fast ausschließlich die bei uns recht häufig vorkommende Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria) - siehe Abb. 4!
Abb. 4: Die giftige Schwalbenwurz kommt gerne im Bereich von trocken-warmen, lichten Wäldern und steinigen Trockenrasen vor. Foto: W. EGGER
Bei weiter steigenden Temperaturen ist in naher Zukunft eine Ausbreitung durchaus möglich. Falls Sie diese Wanzenart an Schwalbenwurz entdecken sollten, bitte ich dringend um Rückmeldung – am besten mit Foto!
Die aktuell bekannten Vorkommen befinden sich in der Gemeinde Reißeck nahe der Ortschaft Penk (siehe Abb. 5) und in der Gemeinde Malta im Ortsbereich Brandstatt an kleinräumigen sonnenexponierten Trockenstandorten.
Abb. 5: In der Umgebung von Penk findet im Überschneidungsbereich zwischen dieser Gebüsch-/Baumgruppe und der angrenzenden Grasfläche die Schwalbenwurz-Ritterwanze einen geeigneten Lebensraum. Foto: W. EGGER
Während der Lebensraum im Maltatal ungefährdet erscheint, ist das Vorkommen im Mölltal in den vergangenen Jahren beinahe erloschen. Erst seit dem Vorjahr und insbesondere heuer konnte ich dort wieder vermehrt Schwalbenwurz-Ritterwanzen vorfinden. Dass an diesem Standort die Schwalbenwurz-Bestände heuer nicht abgemäht wurden, dürfte sicher ein Grund für diese erfreuliche Entwicklung sein (siehe Abb. 6 u. 7).
Abb. 6: 2012 wurden die Schwalbenwurz-Bestände am Wald-/Gebüschrand nicht gemäht. Foto: W. EGGER
Abb. 7: Zu Beginn der kalten Jahreszeit versammeln sich die erwachsenen Schwalbenwurz-Ritterwanzen, um anschließend gemeinsam geeignete Verstecke zur Überwinterung aufzusuchen. Diese „Versammlung“ von geschätzten 50 Ex. konnte ich am 23.09.2012 im auf Abb. 6 gezeigten Lebensraum beobachten. Foto: W. EGGER
Wer sich ausführlicher über Wanzen informieren möchte, wird im Internet bestimmt fündig. Allgemeines erfahren Sie z.B. auf folgenden Seiten:
http://homepage.univie.ac.at/wolfgang.rabitsch/Heteroptera0.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Wanzen
Genaue Informationen über Bestand und Gefährdung der in Kärnten vorkommenden Arten finden Sie in einem Artikel der „Carinthia II“, dem Publikationsorgan des Naturwissenschaftlichen Vereines aus dem Jahre 2009: „Checkliste und Rote Liste der Wanzen Kärntens (Insecta: Heteroptera)“ von Thomas FRIESS & Wolfgang RABITSCH →
http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/CAR_199_119_0335-0392.pdf
Schlussbemerkung
Die meisten heimischen Wanzenarten ernähren sich pflanzlich. Nur eine ganz kleine Minderheit saugt tatsächlich Blut. Von den an Pflanzen lebenden Wanzen werden wegen des aus ihren Duftdrüsen abgegebenen (übelriechenden) Sekrets zwar etliche als „Stinkkäfer“ bezeichnet, doch so manche Arten – z.B. auch die aus Nordamerika eingeschleppte und seit 2005 in Kärnten vorkommende „Amerikanische Kiefernwanze“ (Leptoglossus occidentalis) - können für menschliche Nasen durchaus angenehm (z.B. nach Apfel) duften oder zumindest nicht unangenehm riechen (siehe Abb. 8).
Abb. 8: Die ca. 2 cm große „Amerikanische Kiefernwanze“ ist wegen ihrer blattartig verbreiterten Hinterschienen unverwechselbar. Auf der Suche nach geschützten Winterquartieren kann es im Herbst durchaus vorkommen, dass Sie diese Tiere an Hauswänden oder gar in Ihrer Wohnung vorfinden. Vielleicht überprüfen Sie bei dieser Gelegenheit einmal, ob diese Wanze bei Berührung tatsächlich „Apfelduft“ versprüht. Foto: W. EGGER
Schauen Sie sich diese vielfältige Insektengruppe im kommenden Jahr bei ihren Aktivitäten im Freien (Wiese, Wald, Wasser) einmal genauer an und Sie werden feststellen, dass es sich fast durchwegs um hübsche und ausgesprochen interessante Tiere handelt.
Verfasser: Walter EGGER, Hühnersberg 12/2, 9811 Lendorf; E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!